Naturwissenschaftliche Vereinigung Hagen e.V.

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Ammoniten

des Sammlers Toni Schoengen

Ammoniten (Ammonshörner, AMMONOIDEA)
und ihre Klassifizierung im Stamm der Weichtiere (MOLLUSCA)

Die Ammoniten, wissenschaftlicher Name AMMONOIDEA, gehören mit den NAUTILOIDEA (Perlboote), den BACTRITOIDEA (Bactriten) und den COLEOIDEA (Tintenfische) zur Klasse der CEPHALOPODA (Kopffüßer). Die CEPHALOPODA bildeten zusammen mit den GASTROPODA (Bauchfüßer, Schnecken), den BIVALVIA (Zweischaler, Muscheln), den MONOPLACOPHORA (Einschaler) und den SCAPHOPODA (Kahnfüßer) bis zum Ende der 80er-Jahre die gesamte Artenzahl der MOLLUSCA (Weichtiere), damals auch oft als CONCHIFERA (Schalenträger) bezeichnet.

Die erst in den 90er-Jahren mögliche immer exaktere DNA-Analyse sowohl von Arten, die bei der wesentlich intensivierten Tiefseeforschung entdeckt wurden und bis dahin als längst ausgestorben galten, als auch von Arten, die vorher nur mit großen Unsicherheiten eingruppiert waren, ergab die völlig neue Erkenntnis, dass auch Species gemäß ihrer DNA zum Stamm MOLLUSCA gezählt werden müssen, die kein Gehäuse besitzen

Es stellte sich heraus, dass neu untersuchte, bisher zu anderen Stämmen, z.B. zu den Würmern, gestellte Arten trotz eines fehlenden Gehäuses wegen anderer entscheidender gemeinsamer Merkmale des Körperbaus zum Stamm der MOLLUSCA gestellt werden mussten aber nicht den bestehenden Klassen zugeordnet werden konnten.

Der Stamm MOLLUSCA erhielt zwei Unterstämme: den Unterstamm der Gehäuse tragenden CONCHIFERA (Schalenweichtiere) und den neuen Unterstamm der gehäuselosen ACULIFERA (Stachelweichtiere).

Zusätzlich musste den CONCHIFERA noch eine neue Klasse, die MONOPLACOPHORA (EINPLATTER), hinzugefügt werden. Denn die bei Tiefseefunden neu entdeckten lebenden Exemplare dieser Tiergruppe wiesen so gravierende genetische Unterschiede im Vergleich zu anderen Conchifera auf, dass man sie als neue Klasse von diesen trennen musste.

Die gehäuselosen ACULIFERA (Stachelweichtiere) bestehen aus zwei sehr unterschiedlichen Gruppen von wenigen Individuen. Die genetischen Unterschiede sind hier ebenfalls so entscheidend, dass deshalb zwei Klassen gebildet werden mussten, die POLYPLACOPHORA (Käferschnecken) und die APLACOPHORA (Wurmmollusken).

Aus den o.a. Gründen ist ersichtlich, dass eine verlässliche Klassifikation eine DNA-Analyse voraussetzt. Da genetische Untersuchungen aber unmöglich waren, wurden die Fossilien der MOLLUSCA traditionell nur auf Grund von Merkmalen der Gehäuse auf Ordnungen, Unterordnungen, Überfamilien, Familien etc. aufgeteilt . Genetische Vergleichsuntersuchungen rezenter Nachkommen zeigten jedoch, dass die DNA-Unterschiede bei vielen traditionellen Arten und selbst Gattungen so gering waren, dass sie gestrichen werden mussten: 150000 Schneckenarten (GASTROPODA) reduzierten sich z.B. so auf ein Drittel (unter 50000). Die gestrichenen stellten sich als rein lokale Rassen heraus.

Die aus den bestehenden Arten traditionell gebildeten Familien der GASTROPODA konnten dagegen in den meisten Fällen beibehalten werden auch wenn sie öfter zu anderen übergeordneten Gruppen (sog. Clades) zusammengefasst wurden als vorher.

Da die AMMONOIDEA seit Ende der Kreidezeit ausgestorben sind und ihre Fossilien, wenigstens bisher, keinerlei DNA-Spuren hinterlassen haben, sind genetische Untersuchungen und daraus abgeleitete neue Klassifizierungen unmöglich.

Es hat sich aber gezeigt, dass die Form der Kammerwände der AMMONOIDEA innerhalb ihrer 350 Mio-jährigen Geschichte eine eindeutige Entwicklung von sehr einfachen Formen im Kambrium bis zu hoch komplexen in der Kreidezeit durchlaufen und so Rückschlüsse auf entsprechende Veränderungen der DNA zulassen. Der Druck zur evolutionären Entwicklung der Trennwände zu komplexeren Formen ergibt sich aus der Notwendigkeit den immer zahlreicher werdenden Beutegreifern aus den ursprünglich besiedelten Flachmeergebieten zu entfliehen. Hierzu boten sich die immer größer werdenden Tiefseebereiche der Meere an. Voraussetzung waren aber Gehäuse mit wesentlich höherer Berstsicherheit, die vor allem durch eine erheblich verstärkte Abstützwirkung der Kammerwände erzielt werden konnte. Neben der Verdickung der Kammerwände spielte ihr Verlauf auf der Außenwand eine große Rolle. Die immer komplexere Aufteilung der Kammerwände auf immer größere Breiten bzw. Flächen der Außenschale schaffte immer widerstandsfähigere Gehäuse, die allen Anforderungen gerecht wurden. Hierzu gehört auch eine Wohnkammer, in die die Tiere sich bei Gefahr zurückziehen, mit Kieferklappen (Kauapparaten, Aptychen) verschließen und so die meisten Angriffe überleben konnten. Allerdings schafften es auch die immer mächtiger werdenden Beutegreifer wie Fischsaurier, Riesenfische und Krebse, den Ammoniten in immer größere Tiefen zu folgen. Sie waren in der Lage auch die verstärkten Wohnkammern zu knacken und die Weichteile der Ammoniten auszusaugen. Zurück blieb der gekammerte Teil des Gehäuses das sogenannte Phragmokon, das oft als Fossil erhalten bleibt und deutliche Fraßspuren aufweisen kann.

Begleitet wurde die erstaunliche Entwicklung der Gehäuse durch die immer weiter entwickelte Fähigkeit der Tiere beliebige Wassertiefen zu erreichen, indem sie den Auftrieb des Gehäuses durch die Einlagerung von Ballastwasser veränderten. Hierzu dient eine immer besser angepasste Wasserpumpe, die es ihnen je nach angestrebter Wassertiefe erlaubt, nachts die Kammern des Gehäuses zum Auftauchen zu entleeren, um das starke Nahrungsaufkommen in Oberflächennähe zu nutzen und später wieder zu füllen um den bei Tag in oberen Schichten häufigeren Fressfeinden in größere Tiefen zu entkommen, wie sich auch rezente Tintenfische verhalten.

Wenn bei den Fossilien die Trennwände der Kammern oder sogar die Schalen erhalten sind, zeichnen sich, ggf. nach örtlichem Abschleifen der Schale, die Trennlinien der Gehäusewände (die sog. Lobenlinien) am Außenrand der Gehäuse ab. Die großen Unterschiede dürften auch im Hinblick auf biogenetische Notwendigkeiten, sicherlich ausreichen, die AMMONOIDEA in drei Gruppen („Ordnungen“) aufzuteilen:

 

  1. Gruppe Paläoammonidea
    mit den Ordnungen:
    1. Anarcestida
    2. Clymeniida
    3. Goniatitida

  2. Gruppe Mesammonoidea
    mit den Ordnungen:
    1. Prolecanitida
    2. Ceratitida

  3. Gruppe Neoammonidea
    mit den Ordnungen:
    1. Phylloceratida
    2. Lytoceratida
    3. Ammonitida
    4. Ancyloceratida

 

In dieser Arbeit werden vorläufig in der Hauptsache die NEOAMMONIDEA und dabei die AMMONITIDA behandelt. Für die anderen Ordnungen werden derzeit aber charakteristische Beispiele gezeigt. In späteren Folgen werden aber auch die 1. Und 2.Gruppe intensiver behandelt.

Einerseits wäre eine den heutigen biogenetischen Ansprüchen entsprechende Aufteilung der in den Ordnungen enthaltenen Arten (Species) auf Untergruppierungen wie Überfamilien und Unterordnungen wünschenswert aber wegen fehlender DNA –Analysen praktisch unmöglich; andererseits verlangt der Sammler nach Kriterien, seine Sammlung zu ordnen und die Gattungen und Arten zu übergeordneten Gruppen einigermaßen änderungsresistent zusammen zu fassen.

Die Klassifizierung der Ammoniten im Wikipedia-Kapitel „Ammoniten“ macht sehr deutlich, wie unvollkommen sie sein muss, wenn nur biogenetische Aspekte gelten. Die dort aufgeführte Klassifizierung ist für den Sammler theoretisch zwar durchaus wichtig, die Anwendung auf die Nomenklatur seiner Sammlungsstücke aber wegen der Unsicherheiten praktisch unmöglich.

In dieser Arbeit wird deshalb die Nomenklatur und Klassifizierung der AMMONITIDA benützt, die in der Schlüsselliteratur der 80 und 90er-Jahre (Lehmann, Richter, Keupp , Schlegelmilch usw.,) üblich war und auch heute in vielen Internetveröffentlichungen angewendet wird.

Wir beschränken uns aber auf die Angabe der Art, der Gattung und der Familie, auch wenn letztere zwar nicht mehr unbedingt den Prinzipien der Rezentbiologie entspricht aber doch, wie oben abgeleitet, einigermaßen sicher ist und dem Sammlerwunsch nach einer nachvollziehbaren Einteilung seiner Sammlung entgegenkommt.

Link zu den Fotos des Teils 1-1 der Ammoniten

Link zu den Fotos des Teils 1-2 der Ammoniten